Steuerliche Vorsicht bei dem Verkauf von medizinischen Hilfsartikeln – gewerbliche Infizierung der Einkünfte freiberuflicher Zahnärzte

Steuerliche Vorsicht bei dem Verkauf von medizinischen Hilfsartikeln – gewerbliche Infizierung der Einkünfte freiberuflicher Zahnärzte

04-10-2018

Die Tätigkeit des selbständigen Arztes und Zahnarztes in seiner eigenen Praxis wird im Steuerrecht grundsätzlich als freiberuflich angesehen. Doch auch ein Freiberufler kann unter Umständen gewerbliche Leistungen erbringen – und hierdurch als teils „gewerblich“ tätige Person qualifiziert werden. IErfahren Sie mehr über ärztliche Heilmaßnahmen im Vergleich zum Verkauf von Arzneimitteln, über das Trennungsprinzip bei Einzelpraxen, über die “Abfärbetheorie” und integrierte Versorgung.

Die Tätigkeit des selbständigen Arztes und Zahnarztes in seiner eigenen Praxis wird im Steuerrecht grundsätzlich als freiberuflich angesehen. Doch auch ein Freiberufler kann unter Umständen gewerbliche Leistungen erbringen – und hierdurch als teils „gewerblich“ tätige Person qualifiziert werden.

Ärztliche Heilmaßnahmen im Vergleich zum Verkauf von Arzneimitteln

Eine ärztliche/arztähnliche Leistung liegt im Steuerrecht nur dann vor, wenn es sich bei der Tätigkeitsausübung des Arztes um eine rein medizinische Maßnahme und Heilkunde handelt. Diese Maßnahmen müssen entweder diagnostische, vorbeugende oder behandelnde Zwecke einer Krankheit haben, wie bei einem Zahnarzt die typischen Behandlungsfelder von Zahnreinigung, Bohrungen, Versiegelungen bis hin zu kleinen ambulanten Operationen.

Der Verkauf von Arzneimitteln oder Hilfsmitteln fällt nicht unter diese Definition der medizinischen Heilkunde, da der Verkauf nicht unmittelbar einer Behandlung dient. Jedoch nimmt das Steuerrecht Rücksicht auf die Notwendigkeit gewisser Hilfsmittel: Die Abgabe von Medikamenten oder anderen Artikeln, die der Heilbehandlung dienen und unabdingbar für eine erfolgreiche Behandlung sind, sind als ärztliche Leistung im Zusammenhang mit der eigentlichen Behandlung anzusehen.

Beispiel:
Medikamente, die ein Arzt zusätzlich bei einer ambulanten Operation zwingend für die Durchführung benötigt, sind einheitlich mit der Operation als ärztliche Leistung anzusehen. Jedoch ist es wichtig, dass sich Ärzte darüber im Klaren sind, dass diese Annahme der Einheitlichkeit der freiberuflichen Leistung nur für Hilfsmittel gilt, die in enger Verbindung mit der Krankheitsbehandlung stehen. Soweit der Verkauf zusätzlicher Hilfsmittel an Patienten unabhängig von deren eigentlichen Heilbehandlungen erfolgt, sind die Einnahmen hieraus als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen.

Diese Verkäufe unterliegen der Umsatzbesteuerung zu 19% und sind nicht umsatzsteuerfrei wie die Heilbehandlung eines Arztes!

Beispiel:
Die Verkäufe von Prophylaxe, Mitteln zur Mundhygiene, wie beispielsweise Zahnpasta, Zahnseide etc. bei Zahnärzten stellen Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Ebenso sind solche Leistungen nicht dem heilkundlichen Bereich zuzuordnen, die kosmetischen Zwecke dienen; hierunter fallen unter anderem das Anbringen von Zahnschmuck, Bleaching aus rein kosmetischem Grund, ebenso wie ästhetische/plastische Leistungen, soweit kein vordergründig gesundheitlicher Zweck vorliegt (auf diese Leistungen entfällt Umsatzsteuer!). Bleaching aufgrund von behandlungsbedingten Zahnverdunkelungen stellen dagegen Leistungen im Bereich der Heilkunde dar (diese Leistung ist als Heilbehandlung umsatzsteuerfrei).

Trennungsprinzip bei Einzelpraxen

Die Einnahmen aus der freiberuflichen und aus der gewerblichen Tätigkeit werden bei Einzelpraxen nach dem sogenannten Trennungsprinzip behandelt – dies bedeutet, dass die Einnahmen getrennt voneinander aufzuzeichnen sind. Dies bedeutet auch, dass die Einkäufe von (gewerblich verkauften) Hilfsmitteln den gewerblichen Einnahmen zuzuordnen sind. Der Einkauf von Medikamenten, die im direkten Heilbehandlungszusammenhang stehen, sind den freiberuflichen Einnahmen hieraus zuzuschreiben.

Abfärbetheorie bei Personengesellschaften

Anders als bei Einzelpraxen, für die der Trennungsgrundsatz der Einkünfte gilt, sind bei Gemeinschaftspraxen (Personengesellschaften wie die GbR) abweichende Regelungen zu beachten. Im Einkommensteuergesetz greift hier die Regelung der „Abfärbetheorie“ (§15 Abs. 3 Nr. 1  Einkommensteuergesetz). Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit einer Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen, sobald überhaupt gewerblich anzusehende Einkünfte erzielt werden. Dies bedeutet, dass eine Gemeinschaftspraxis, die auch Einnahmen aus dem Verkauf von Zahnpasta, Mundspülungen oder ähnlichem erzielt, nicht mehr als freiberufliche Praxis sondern als Gewerbebetrieb anzusehen ist. Allerdings gilt hier eine für viele Praxen entscheidende Ausnahme: Liegt der (Netto-) Umsatzanteil unter 3% des Nettogesamtumsatzes und der vermeintlich gewerbliche Umsatz unter 24.500 Euro, findet aufgrund der Geringfügigkeit der gewerblichen Einnahmen die Abfärbetheorie keine Anwendung. Dies Umsatzgrenze wurde durch den BFH in seinen Urteilen vom 27.08.2014  (Az: VIII R 41/11, VIII R 6/12) bestätigt. Allerdings sollte sichergestellt sein, dass den gewerblichen Leistungen eine augenscheinlich untergeordnete Bedeutung zukommt.

Soweit eine Gemeinschaftspraxis (GbR AB1) der Ärzte A+B auf den Verkauf der Hilfsartikel und den damit verbundenen Service für die Patienten nicht verzichten will, könnten die beteiligten Ärzte A und B über die Auslagerung der gewerblichen Leistungen nachdenken. Hierzu könnteeine zweite Personengesellschaft (GbR AB2) gegründet werden, über die die Verkäufe von Hilfsmitteln erfolgen. Die zweite sog. Schwester-Personengesellschaft, an der in der Regel wohl dieselben Personen beteiligt sein werden wie an der Gesellschaft, die ausschließlich freiberuflich tätig ist, erbringt durch den Verkauf die gewerbliche Tätigkeit. Es ist aber zu beachten, dass die beiden Personengesellschaften organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell unabhängig voneinander agieren und dies im Gesellschaftsvertrag entsprechend festgehalten wird. So ist beispielsweise sicherzustellen, dass getrennte und jeweils eigene Aufzeichnungen, Bankkonten, Rechnungsvorlagen etc. für beide Gesellschaften vorliegen.

Integrierte Versorgung

Wurden Fallpauschalen – die sog. integrierte Versorgung nach §§140a ff SGB V – zwischen den Ärzten und Krankenkassen abgeschlossen, kann ebenfalls die Abfärbetheorie greifen. Beinhaltet die vereinbarte Fallpauschale sowohl eine Vergütung für freiberuflich medizinische als auch für gewerbliche Tätigkeiten und ist die Grenze der geringfügigen gewerblichen Leistungen überschritten, liegt auch hier eine gewerbliche Infizierung sämtlicher Einnahmen aus der Praxis vor.

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